«Ich fühlte mich wie in einer World-Vision-Werbung»
David Marty arbeitete vier Wochen in Botswana. Als gelernter Polymechaniker konnte er den Einheimischen sein Wissen weitergeben und dabei auch noch das Land erkunden.
Dieser Artikel ist am 19. Dezember 2018 im «Urner Wochenblatt» erschienen.
«Überraschend fragte mich mein Chef im Mai dieses Jahres, ob ich Interesse daran hätte, alleine in Afrika einen Arbeitsauftrag zu erfüllen», sagt David Marty. Einen Monat in Botswana Triebwerke reparieren und dort leben. «Ehrlich gesagt, war ich anfangs ein wenig skeptisch.»
Er wusste nicht, was ihn dort erwarten würde. Von seinen Arbeitskollegen, die auch schon dort waren, erfuhr er, wie freundlich die Einheimischen sind. Es gefiel ihnen sehr in Botswana, und sie hatten eine schöne Zeit. Mitarbeiter der Pilatus Flugzeugwerke AG erhalten die Möglichkeit, ins Ausland zu reisen und dort ihr Wissen weiterzugeben.
«Meine Erwartungen waren nicht hoch, denn von Afrika weiss ich nicht viel. Wenn man Botswana googelt, sieht man als Erstes, dass die HIV-Rate zirka 20 Prozent beträgt», sagt David Marty. Er fragte sich, wie wohl die Gesundheitsversorgung in diesem Land sei und wie die Krankenhäuser organisiert sind. «Ich dachte viel nach, aber schlussendlich packte es mich, weil ich etwas erleben wollte.»
Vorbereitungen brauchten Geduld
Nachdem er sich entschieden hatte, musste er sich bei Tropenärzten impfen lassen und Medikamente einnehmen. Seine persönlichen Vorbereitungen hielten sich in Grenzen, dafür beanspruchten die geschäftlichen Vorbereitungen viel Zeit. Für die Arbeiten, die David Marty mit dem Team in Botswana ausführen sollte, brauchte er ungefähr 100 verschiedene Werkzeuge. Somit musste im Voraus schon geklärt werden, welche Werkzeuge bereits dort waren. David Marty kommunizierte mit den Verantwortlichen in Botswana, und sie teilten ihm mit, was sie noch brauchten. «Das klappte aber nicht immer wie gewünscht, da die Botswaner alles en bisschen gelassener nehmen und nicht direkt antworteten. Die Vorbereitungen zogen sich in die Länge, was etwas mühsam war», erinnert sich der 28-Jährige.
Wartungen an Triebwerken, Reparaturen, Schulungen und Instruktionen gehörten zu seinen Aufgaben. Drei Flugzeuge waren vor Ort. Beim ersten Flugzeug zeigte er die Arbeit vor, beim zweiten begleitete er die Arbeiter, und beim dritten überwachte er die Arbeit der Botswaner. «Mir fiel auf, dass sie sehr schnell lernten», sagt der Polymechaniker. Doch nicht immer lief alles nach Plan. Manchmal musste er auch improvisieren. «Es gab Fälle, bei denen Werkzeug fehlte, da half ich mir selbst und bastelte es so gut es ging», sagt David Marty schmunzelnd.
Von der Pilatus Flugzeugwerke AG erhielt David Marty Sicherheitsvorschriften. So durfte er sich weder in der Dämmerung noch im Dunkeln hinter das Lenkrad eines Autos setzen. «Ich erhielt ein Mobiltelefon, auf dem ich jederzeit erreichbar sein sollte.» Auch musste er sich jeden zweiten Tag melden, damit die Verantwortlichen der Pilatus Flugzeugwerke AG sicher sein konnten, dass alles in Ordnung ist.
Weder Strom noch Wasser
Beim ersten Tageslicht, um etwa 6.45 Uhr, machte sich David Marty auf zur Arbeit. Sein Arbeitsplatz war auf einem Flugplatz etwas ausserhalb von Molepolole. Von 13.00 bis 14.00 Uhr war Mittagszeit, gearbeitet wurde bis zirka 16.30 Uhr. Weil es um 18.00 Uhr schon stockdunkel war, fuhr David Marty bereits vor der Dämmerung zur Unterkunft zurück. Das gebuchte Hotel befand sich in Gaborone, und der Arbeitsweg betrug 1½ Stunden. «3 Stunden Autofahrt pro Tag, und ich durfte nicht im Dunkeln fahren. Das fand ich anstrengend», sagt David Marty. Deshalb sah er sich nach einem Hotel in der Nähe des Arbeitsortes um. Das war keine einfache Aufgabe. So hatte ein Hotel, das er besichtigte, keinen Koch, keinen Strom, und das Wasser lief auch nicht. Schlussendlich fand er aber ein passendes Hotel in Molepolole, das nur 25 Minuten vom Flugplatz entfernt war.
«Man arbeitet gelassener und lockerer, aber es funktioniert trotzdem alles.» — David Marty
Frauen mit Töpfen auf den Köpfen
«In Molepolole angekommen, erschrak ich im ersten Moment, als ich die Leute sah. Ich kam mir vor wie in einer World-Vision-Werbung», sagt der Buochser mit Urner Wurzeln. Er sah Frauen mit Töpfen auf den Köpfen und halb nackte Kinder, die am Strassenrand mit Pneus spielten. «Als ich in Kontakt mit diesen Leuten kam, war ich fasziniert, wie nett und offen sie waren. Sie haben mich direkt als Freund aufgenommen.» Die Arbeitskultur in Botswana ist sehr verschieden zur Schweiz. «Man arbeitet gelassener und lockerer, aber es funktioniert trotzdem alles.» David Marty gewöhnte sich schnell daran. Als er wieder in der Schweiz war, vermisste er die Arbeitskultur der Botswaner fast ein bisschen.
«Gaborone und Molepolole sind sehr unterschiedlich, fast wie zwei verschiedene Welten in einem Land», sagt David Marty. Gaborone sei wie eine westliche Stadt. In Molepolole hingegen begegne man mehr Obdachlosen und Kindern auf den Strassen. Auch Frauen mit Kanistern auf den Köpfen treffe man dort häufiger an. Seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Bergsteigen, konnte David Marty in diesen vier Wochen nicht nachgehen. Botswana ist sehr flach. Es gibt genau einen Hügel, der heisst Kgale Hill. Am ersten Wochenende wusste er nicht, was er machen sollte. Er schaute die Hauptstadt Gaborone an und sah diesen Hügel. Er lief dort anschliessend hoch und genoss den Ausblick. «Das war ein wundervolles Erlebnis, und daran denke ich gerne zurück. Es sah atemberaubend aus», schwärmt David Marty.
«Hyänen assen unsere Essensreste»
An Wochenenden unternahm David Marty mit seinen Arbeitskollegen vor Ort sehr viel und konnte dadurch auch Kontakte knüpfen. «Einer dieser Freunde fragte mich, ob ich Interesse an einer zweitägigen Safari hätte», erklärt David Marty. Dieser Freund kannte wiederum einen Freund, welcher die Safari für ihn organisierte. Die Gruppe war mit Autos unterwegs, und sie zelteten in der freien Natur. «Es gab keinen Zaun, nichts. Wir waren inmitten der Wildnis.» Am ersten Abend besuchten Elefanten ihren Zeltanbau. Sie waren etwa 5 bis 10 Meter entfernt. «Ich sah sie im Dunkeln, und sie schauten mich auch an, dann ging ich langsam zurück ins Zelt.» Am zweiten Abend kamen Hyänen vorbei und assen die Knochenreste vom Essen der Gruppe. Auf der Safari sah David Marty Geparden, Nilpferde, Giraffen und viele andere Tiere.
Mit vielen positiven Eindrücken und Erlebnissen kam er begeistert in die Schweiz zurück: «Diese Reise nach Botswana war unglaublich, und ich möchte unbedingt wieder dorthin gehen.» Er kann sich sogar vorstellen, das nächste Mal auch länger dort zu bleiben.
Fotos: zVg / David Marty