Bio-Heidelbeeren aus Urner Höhe

Einziger Urner Bergbauer mit dem Bio-Gütesiegel für Früchte

Dieser Artikel ist am 5. August 2020 im «Urner Wochenblatt» erschienen.

Sommer 2019. Ein heisser Tag geht zu Ende und langsam zieht ein Gewitter auf. Es kommt immer näher Richtung Uri und macht halt in Seelisberg. Die Wolkenfelder verteilen sich grossräumig über den Bergen. Weiss, Hellgrau und Dunkelgrau – diese Farben zieren an jenem heissen Sommerabend vor einem Jahr die Wolkendecke. Eine Farbe aber sticht am meisten durch. Gelb. Die Farbe, welche jahrelange Arbeit zunichtemachen könnte. Genau dieses Szenario spielte sich auf dem Hof von Patrick Amstad ab. Er ist der einzige Früchtebauer in Uri auf Berghöhe, der Heidelbeeren anpflanzt und erntet.

Vor 13 Jahren zog er mit seiner Frau vom nidwaldnerischen Hergiswil nach Seelisberg. 2017 gründete der inzwischen vierfache Familienvater seine Firma Bergfrucht. Der gelernte Obstfachmann verfügt über 1,5 Hektaren gepachtetes Land, welches am Hang des Dorfeingangs liegt. Seither pflegt und hegt er über 80 Hochstammbäume, baut und erntet als einziger «Bergbauernhof» in Uri Früchte mit dem Bio-Gütesiegel an. Nebst Äpfeln, Mini-Kiwis, Birnen und Kirschen gibt es auf dem Hof auch verschiedene Sorten von Beeren, die er erntefrisch verkauft. Eine davon ist die Heidelbeere.

Schwierig, kostspielig und aufwendig
Bei der Gründung seiner Firma entschied Patrick Amstad, Heidelbeeren mit ins Sortiment zu nehmen. «Der Anbau ist sehr aufwendig, kostspielig und schwierig. Zudem geniesst die Vermarktung dieser Beeren keinen Zollschutz. Daher werden ganzjährig ausländische Beeren meist günstiger zum Teil mittels Flugzeug in die Schweiz importiert», sagt Patrick Amstad. «Trotzdem habe ich mich entschieden, Heidelbeeren anzubauen.» Der Anbau der Beeren kann auf verschiedene Arten erfolgen. Da die Heidelbeeranlage aber an einem Hang auf rund 850 Metern über Meer gebaut werden sollte, entschied er sich für eine Terrassierung. Um biokonform zu sein, müssen alle Pflanzen direkten Bodenkontakt haben.

Anbauterrasse an Südhang
Heidelbeeren wachsen nur auf «saurem» Boden, das heisst, der Boden braucht einen pH-Wert unter 4,5; der normale pH-Wert eines Bodens liegt zwischen 6,5 und 7. Deshalb musste organisches Material her. Auf einer Fläche von 2,5 Aren – 11 Meter breit und 22 Meter lang – wurden in den Boden, der 0,5 Meter tief ausgehöhlt wurde, mehr als 100 Kubikmeter Sägemehl, Holzhäcksel und Rindenschnitzel verteilt. Die Fläche ist auf drei übereinanderliegenden Terrassen angelegt. Mittels Rundholz aus unmittelbarer Umgebung wurden jeweils Stufen von 0,5 Meter gebaut. Die Bodenaufbereitung wurde vollflächig gemacht. Den Aufbau der Heidelbeeranlage stellte Patrick Amstad selbst her. Das organische Material erhielt er von einer hiesigen Sägerei. «Den Südhang habe ich ausgewählt, weil eine gute Belichtung, Wasserführung und Ausreifung gewährleistet werden kann», erklärt der 41-jährige Familienvater.

Auf der Heidelbeeranlage sind rund 70 Sträucher und vier verschiedene Sorten angepflanzt worden. Dadurch ist ein durchgehendes Erntefenster von anfangs Juli bis Mitte September gegeben. Im Vollertrag kann man pro Saison über 200 Kilogramm Beeren erwarten. Die Heidelbeeranlage wurde 2017 fertiggestellt. In der darauffolgenden Saison konnte Patrick Amstad 15 Kilo ernten. Mitte Juni 2019 ereignete sich die eingangs erwähnte Katastrophe. Sie vernichtete die jahrelange Arbeit. Das heftige Gewitter mit starkem Hagel verwüstete innert 30 Minuten alles. «Ich konnte nur zuschauen, wie alles futsch ging», sagt Patrick Amstad. «Ich war frustriert, denn ich wusste, dass mein Fleiss keinen Preis erhielt.» So konnte er gar nichts ernten. Dieses Jahr konnte er bisher wieder ein wenig ernten, alles machte der starke Hagel doch nicht kaputt. Rückblickend ist Patrick Amstad erleichtert, dass der Hagel vergangenes Jahr kam. «Ich bin froh, dass die Heidelbeersträucher dort noch nicht ihre endgültige Höhe von 2 Metern erreicht hatten, sonst wäre der Schaden heuer noch grösser.»

«Biologisch anbauen ist eine Grundeinstellung»
Mit seinem Unternehmen als «One-Man-Show» widmet er sich nebst dem Früchteanbau auch anderen Dingen. Baumschnitt und -pflege, Sanierung von Hochstammbäumen, Landschaftspflege und Dienstleistungen zur Haustechnik bietet er bei seiner Firma Bergfrucht an. Diesen Weg hat er nicht von Anfang an so vorgesehen. Ursprünglich ist er gelernter Maschinenmechaniker, schlug nach einigen «Mechanikerjahren» aber den sozialen Weg ein: Er bildete sich zum Arbeitsagogen aus. Einige Jahre arbeitete er auch in diesem Berufsfeld und merkte schnell, wo seine Leidenschaft steckt – in der Natur. So machte er mit 34 Jahren eine weitere Lehre zum Obstfachmann EFZ, die er 2015 abschloss. Patrick Amstad wusste dann, was er für den Rest seines Lebens arbeiten will.

Aber woher kam der Sinneswandel, von der Maschinenindustrie ins Soziale und anschliessend in die Landwirtschaft zu wechseln? Den Ursprung dieser Wechsel könnte Südamerika mitgeprägt haben. Auf seiner Reise durch das Land, die er in den späten 1990er-Jahren machte, ernährte er sich möglichst biologisch. Er nahm immer mehr wahr, wie natürlich sich der biologische Kreislauf schloss, und änderte seine Grundeinstellung zum Essen. «Dies war ein Prozess, der sich über mehrere Jahre hinwegzog», sagt Patrick Amstad nachdenklich. «Ich finde das gut so, es hat wirklich meine Einstellung zum Essverhalten und zur Industrie geändert. Biologisch anbauen ist eine Grundeinstellung und ein Wert, an welchem ich mich orientiere.»

Geduld – der Schlüssel zu vielem
Auch die Pflege der 80 Hochstammbäume ist etwas, das ihn erfüllt. Und das trotz langjähriger Pflege, ohne anfangs jegliche Ernte zu erhalten. «Es macht mich zufrieden, den Bäumen zuzuschauen wie sie mit den Jahren grösser und stärker werden und sich verwurzeln. Dann sehe ich die Auswirkungen meiner Arbeit.» Die Welt sei zu schnelllebig, meint er, es brauche seiner Meinung nach mehr Geduld. «Denn Geduld ist der Schlüssel zu vielem», sagt er entschlossen. «Auch beim Früchteanbau.»

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