
«Coco38» alias Colin Huwyler veröffentlichte am Freitag ein kunterbuntes Album. (Foto: Yanis Deplazes)
In «Onetake» spricht der Urner sensible Themen an und erzählt seine eigene Geschichte. (Foto: Yanis Deplazes)

Colin Huwyler hat sein erstes Album «Onetake» veröffentlicht.
«6490 ja mini ersti Station / mine Starter wegem Sport / so vill weg gsi und so / Es isch die beschti Option / und ich bin glücklicher als alli man / chan mini Träum verwürkliche / willi z’allerbeschte Mami han.»
Das ist es. Einige Strophen des Songs von Colin Huwyler. Er ist in Andermatt aufgewachsen und rappt in seinem Song «Mini Gschicht» darüber, was ihm in seinem bisherigen Leben widerfahren ist, was er daraus gelernt hat und wie er sich aus der Abwärtsspirale gerettet hat. Aber nicht nur. Sein Album «Onetake» mit den 15 Songs kommt kunterbunt daher. Mehrere Songs sind Features mit anderen Urner Musikkünstlerinnen und -künstlern. Das Album ist am Freitag, 9. April, auf allen Musik-Streamingplattformen erschienen.
«Und ich mach das den au jahrelang / Tag für Tag det abe gfahre und so vill chönne erfahre man / aber irgendwenn sind d’Leischtige nümm die gliche gsi / plötzlich müsse ghöre / dass ich usem Kader gstriche bi.»
Nach dem HCAP folgte die Abwärtsspirale
Angefangen hat alles mit dem Eishockeyklub HC Ambri Piotta (HCAP). Das Leben schien perfekt. Er spielte in der Juniorenmannschaft und malte sich seine Zukunft bereits als Eishockeyspieler aus. Da er mit der Zeit immer weniger eingesetzt wurde, nahm seine Motivation und daher auch seine Leistung im Mannschaftssport ab. Colin Huwyler hörte mit dem Leistungssport auf.
«Das isch chli zvill für mich / und darum hör ich uf / äntlich einisch Zyt für Friends / isch was ich ghörig bruch / und denn isch das so gsi ja / Biggie und so / plötzlich ischs nurno mis Ziel / es Päckli Zigi z’becho.»
Er entschied sich für das Gymnasium in Altdorf. Doch die Motivation des damals 16-Jährigen lag im Keller. Er fing an zu kiffen, seine schulischen Leistungen sanken, er wurde von der Schule beim Kiffen erwischt und musste mit Konsequenzen rechnen. Er brach das Gymnasium ab.
Dann fing er die Lehre zum Landschaftszeichner an, brach sie ab, zog aus und wohnte mit Kollegen, bis er 18 Jahre alt war, in einer Wohngemeinschaft. Colin Huwyler rutschte in eine lange Abwärtsspirale, kam in Kontakt mit starken Betäubungsmitteln und lernte die Schattenseiten kennen. «Zu dieser Zeit musste ich irgendwie zu Geld kommen und deshalb dealte ich», sagt Colin Huwyler.
«Und irgendwenn mischis mitem grüene Element / mis Mami hed den nurno welle brüele wege dem / aber immerno die Ihstellig säg mier nüd du / das isch die Story gsi vu 6490.»
Weil er nie richtig erwischt wurde, sagt er, habe die Jugendanwaltschaft auf andere Mittel zurückgreifen müssen. Nach mehreren verstrichenen Chancen stellte sie ihm ein Ultimatum. Entweder er findet in einigen wenigen Monaten eine Lehrstelle, eine Bleibe und hört auf zu dealen, oder er muss in ein Heim in Zürich. Letzteres passierte.
«Mit meinen eigenen Songs habe ich diese schwierige Zeit auf meine Art und Weise
verarbeiten können.» – Colin Huwyler
«Coco38» alias Colin Huwyler veröffentlichte am Freitag ein kunterbuntes Album. (Foto: Yanis Deplazes)
In «Onetake» spricht der Urner sensible Themen an und erzählt seine eigene Geschichte. (Foto: Yanis Deplazes)
«Lernte, das Leben besser zu meistern»
«Im Heim kam ich wieder zu mir selbst zurück», sagt Colin Huwyler. «Ich lernte wieder, das Leben zu schätzen und war motiviert, das Leben besser zu meistern.» Und es funktionierte: Denn er fing eine vierjährige Lehre zum Siebdrucker an. Nach dreieinhalb Jahren Lehre hielt er sich so gut an die Regeln, dass er von der Pflicht, im Heim zu leben, erlöst worden war. Er zog zu seinen Eltern nach Schattdorf und schloss seine Lehre mit 22 Jahren erfolgreich ab. Seit vergangenem September arbeitet der 24-Jährige als Digital-Drucker in Zürich und besucht seine Eltern an Wochenenden in Schattdorf.
Leben wieder in die richtige Bahn lenken
Das Erlebte schrieb Colin Huwyler immer für sich auf. Nicht in Tagebücher oder irgendwelchen Texten. Er schrieb Songtexte und spielte schon früh mit dem Gedanken, diese für sein eigenes Album irgendwann einmal aufzunehmen. «Mit meinen eigenen Songs habe ich diese schwierige Zeit auf meine Art und Weise verarbeiten können», so der Musikkünstler. «Rückblickend bin ich froh, die Möglichkeit gehabt zu haben, im Heim mein Leben wieder in die richtige Bahn zu lenken. Durch diese Erfahrung stehe ich nun da, wo ich bin.»
Flüchtlingskind, Mobbingopfer und «Lovestory»
Kunterbunt kommt das Album «Onetake» nicht nur wegen den Features – den Musikpartnern – daher. In seinen Songs spricht er nämlich wichtige Themen an. Beispiels zum Zug weise erzählt er im Song «Adil», welcher er mit der Urner Musikkünstlerin «Miriam» alias Miriam Wipfli aufnahm, von einem Flüchtlingskind und dessen Reise in die Schweiz. Damit wollen sie Menschen sensibilisieren und ihnen vor Augen führen, wie sich Flüchtlingsmenschen in solchen Situationen fühlen. Mit Miriam Wipfli hat er noch einen zweiten Song, «Rockstars», geschrieben. In den Songs rappt Colin Huwyler hauptsächlich, die Features singen. Im Song «Philipp» rappt er mit seiner rauen Stimme und gibt die Geschichte eines Philipps wieder, der in der Schule zum Mobbingopfer wird und in eine Depression rutscht. «Luana» alias Luana Deplazes singt in diesem Lied den melodischen Refrain auf Französisch, was dem Song eine unglaubliche Tiefe verleiht und zum Nachdenken anregt.
Mit dem Urner Künstler Matteo Gisler alias «kind of a mate» hat er den romantischen Song «Baby» aufgenommen. Darin beschreibt Colin Huwyler rappend eine «Lovestory», Matteo Gisler singt den Refrain.
Der Song «Mondreis» tanzt ganz aus der Reihe, denn es ist ein Reggae-Beat und kommt sehr entspannt daher. Sein Zürcher Kollege Junia Bardo singt melodisch und rappt in Mundart, und Colin Huwyler rappt dazu. Im Album findet sich zudem noch ein Song mit «Dryer» alias Erich Huser. Eigentlich singt der Nidwaldner melancholischen Rock – das hört man bei «Jede Tag». «Flexx» ist ein Gangster-Rapp. Dort rappt «Coco38» schnell und alleine auf Mundart, der Song kommt krass daher, auch das dazugehörige Video.
Mit Texten Menschen berühren
«‹Coco38›» nenne ich mich, weil mein Spitzname bei vielen Freunden Coco ist und mich die Zahl 38 schon mein Leben lang begleitet», erklärt Colin Huwyler seinen Künstlernamen. «38 ist die Zahl meiner Initialen, und momentan lebe ich in einem Haus mit der Nummer 138. Diese Zahl taucht immer wieder bei mir auf.»
Die Produzenten, die «Onetake» mit ihm aufnahmen und herausgegeben haben, sind «Minor Mayhem». Hinter dem Label stecken zwei kreative Köpfe: Andreas Kälin aus Altdorf und Leonid Rousniak, ein in Zürich wohnhafter Franzose mit russischen Wurzeln. Kennengelernt hat Colin Huwyler die beiden durch einen Bekannten, welcher sein Projekt kannte und ihm riet, mit ihnen zu arbeiten. Zwei Jahre arbeitete Colin Huwyler mit den beiden Produzenten sporadisch am Album. «Die Songtexte hatte ich schnell zusammen», sagt er. Die Beats erstellten die beiden Produzenten für ihn. «Mein Ziel war es von Anfang an, mit meinen Texten Menschen zu berühren. Es wäre schön, wenn ich es mit meiner Musik schaffen könnte, dass Menschen sich an prägende und schöne Erlebnisse im Leben zurückversetzt fühlen.»
Nun ist der Urner gespannt, wie das Album ankommt. «Ich hoffe, das Album und die vielen verschiedenen Songs mit den unterschiedlichen Genres gefallen den Leuten. Auf jeden Fall bin ich motiviert, mit der Musik weiterzumachen, und kann mir vorstellen, auch einmal ‹richtig› zu singen», schmunzelt er.
«Losed mier ez gued zue / verzelle üch ez mini Gschicht / paar schlächti Momänt / aber au es bitzli Zueversicht / villicht isch’s guet für dich / wenn ich dier eze hälfe cha / will ab und zue bestaht das Läbä nur us Schärbe man.»
«Und den isch wichtig / dass du eifach witermachsch / Brüeder blib nid stah / will das Läbä immer witergahd.»
«Und ganz am Schluss muss ich allne einisch sorry sägä / doch mier heds gad so gued tah / üch mini Story z’sägä.»
Das Album «Onetake» kann auf allen Musik-Streamingplattformen unter «Coco38» angehört werden.