Neue Urner Campingangebote werden rege genutzt
Dieser Artikel ist am 25. Juli 2020 im «Urner Wochenblatt» erschienen.
Es ist ein typischer Campingabend – einige bauen ihr Zelt auf für die bevorstehende Nacht und räumen ihr vollgeladenes Auto aus, andere essen gemütlich am Campingtisch. Kinder spielen und lachen. Die Szene spielt sich jedoch nicht auf einem namhaften Campingplatz ab, sondern beim Bauernhof von Familie Dittli-Jauch in Attinghausen. Der Corona-Sommer hat seine eigenen Gesetze, und ein wichtiges davon lautet: Ferien im eigenen Land. Nicht wenige Campingplätze melden «ausgebucht», und so campieren immer mehr Ferienwillige «wild». So idyllisch das klingt, das wilde Campieren sorgt auch für Unmut: Abfall bleibt liegen, es gibt Landschäden.
Hier setzt das Urner Projekt «Temp Camp» an. Seit dem 1. Juli gibt es dieses Angebot für temporäre Camper, die beispielsweise auf der Durchreise sind. Der Urner Outdoorsommer mit dem Projekt «Temp Camp» dauert noch bis zum 30. September. Bestehende Camping-Stellplätze wurden für das Projekt ausgebaut. Rund 100 neue temporäre Stellplätze an 13 Orten wurden geschaffen. Dafür haben sich Urner Tourismusorganisationen seit Anfang Mai ins Zeug gelegt. Dank schnellen Bewilligungen durch die Gemeinden und mit Hilfe von Urner Betrieben konnte das Projekt innert Kürze realisiert werden. Nur acht Wochen vergingen von der Idee bis zur Planung und effektiven Ausführung. «Temp Camp»-Stellplätze finden sich in etwa der Hälfte der Urner Gemeinden. Die Stellplätze gehören der öffentlichen Hand, aber auch Privatpersonen, die beispielsweise eine Weide auf ihrem Hof zur Verfügung stellen.

Herumliegender Abfall vermeiden
«Mit diesem Projekt wollen wir Wildcamper begrüssen und nicht mit Verboten verscheuchen», sagt Maurus Stöckli, Geschäftsführer von Uri Tourismus AG. Denn auch Wildcamper sorgen für Umsatz.
Sara Fedier, Projektmitverantwortliche von «Temp Camp» ergänzt: «Mit den temporären Camping-Stellplätzen vermeiden wir herumliegenden Abfall durch Wildcamper und verärgern somit niemanden. Auch wissen die Wildcamper, wo sie erwünscht sind und fühlen sich dadurch auch willkommen.»
Die Preise der Stellplätze variieren von 10 bis 38 Franken (exklusive Taxen) – je nach angebotener Infrastruktur und Lage. An einigen Standorten gibt es lediglich einen Stellplatz, an anderen zusätzliche Ausstattung wie beispielsweise Strom, Dusche und Toilette. Jeder Stellplatz hat einen Platzwart, einen sogenannten Ranger, der für Reservierung, Empfang und den Unterhalt der Plätze zuständig ist. Bei den Rangern kann man sich über zusätzliche Angebote und Ausflüge in der Nähe informieren. Ein wichtiges Element, betont Maurus Stöckli: «Die Platzwarte bieten das unter anderem auch an, um die Wertschöpfungskette zu erweitern und den Tourismus anzukurbeln».
Mit dabei beim Projekt «Temp Camp» sind auch Fabienne und Martin Dittli-Jauch. Hinter ihrem Bauernhof in Attinghausen bieten sie auf einer 50 mal 100 Meter grossen Wiese bis maximal zehn Stellplätze an. Auf Anfrage kann man Dusche und Toilette benutzen, Strom kostet extra. Bereits im vergangenen Herbst haben sie sich entschlossen, das Angebot aufzugleisen und meldeten sich auf der Plattform www.stellplatz.info an. Urner Tourismusorganisationen wurden anfangs Mai darauf aufmerksam und fragten sie für das Projekt «Temp Camp» an. «Wir haben direkt zugesagt, es ist eine tolle Sache», sagt Martin Dittli. «Es freut uns, dass Leute hierherkommen. Die Gäste sind zufrieden und unkompliziert. Zudem erhalten wir noch ein Nebeneinkommen.
Dem Studentenstress entkommen
Zu Gast in Attinghausen sind unter anderem drei Studentinnen aus Schwyz: Rebecca auf der Maur, Laura Ziegler und Annalena Schlüchter haben sich einige Tage frei genommen und sind mit einem «Büssli» in den Kanton Uri gefahren, um dem Studentenstress zu entkommen. Durch die Eltern haben sie von «Temp Camp» erfahren. So verbrachten sie die erste Nacht beim «Moosbad» in Altdorf, dann eine Nacht in Attinghausen. «Morgen wollen wir aufs Brüsti, dort zu Mittag essen und wieder nach Hause fahren», so Rebecca Auf der Maur. Die drei sind sich einig: «Es ist sehr gemütlich und das Konzept ist cool. Wir haben unsere Ruhe und können die Natur geniessen. Die Hauptsache ist aber, dass wir unsere gemeinsame Zeit geniessen können.»


Von Island nach Uri
Nicht nur aus dem Nachbarkanton, auch aus dem hohen Norden finden sich Gäste auf dem Stellplatz in Attinghausen: Ein Wohnwagen trägt das Kennzeichen von Island. Damit sind Andrés B. Andreasen und Eva-Charlotte Haensel mit ihren fünf Kindern seit dem 12. Juli unterwegs. Zehn europäische Länder in 63 Tagen wollen sie bereisen. Darunter waren bisher Dänemark, Deutschland, Österreich, Slowenien, Kroatien (drei Wochen) und Italien. Eine Nacht verbringen sie in Attinghausen, dann geht es weiter nach Frankreich. «Der Stellplatz hier ist wirklich perfekt, die Kinder haben Platz, um zu spielen. Wir haben unsere Ruhe und die Reservierung funktionierte auch einwandfrei», sagt Eva-Charlotte Haensel, eine gebürtige Deutsche, die nach Island ausgewandert ist.



Das Projekt «Temp Camp» ist also gut angelaufen. Laut Sara Fedier sind auch schon einige positive Rückmeldungen der Besucherinnen und Besucher eingegangen: «Es freut mich sehr, dass es so gut ankommt.» Bis jetzt habe alles sehr zügig und gut geklappt. «Man ist auf dem besten Weg, das Ziel, wildes Campieren nicht zu verbieten, sondern andere Optionen bereitzuhalten, zu erreichen.»