So wintert Uri seine fünf Pässe ein
Nach und nach verabschieden sich die Urner Pässe in den Winterschlaf. Das Amt für Betrieb Nationalstrassen und das Amt für Tiefbau sind für deren Unterhalt verantwortlich.
Ein Hintergrundbericht.
Dieser Artikel ist am 7. November 2020 im «Urner Wochenblatt» erschienen.
Es ist Ende Oktober, der Herbst ist langsam, aber sicher angekommen. Die Pässe gehen in die Wintersperre. Aber weshalb werden Pässe im Winter eigentlich gesperrt? Und nach welchen Kriterien wird entschieden? Genau das bestimmen im Kanton Uri das Amt für Betrieb Nationalstrassen sowie das Amt für Tiefbau mit der Abteilung Betrieb Kantonsstrassen. Ob es die Wintersperre im Herbst oder die Passöffnung im Frühling ist, der Entscheid nach verschiedensten Kriterien ist das eine. Die ganzen Arbeiten, die bei einer Einwinterung oder einer Öffnung einhergehen, sind das andere und gehören ebenfalls zu den Aufgaben.
Im Kanton Uri gibt es fünf Pässe, welche in die Nachbarkantone führen. Der Sustenpass verbindet Uri mit Bern, der Oberalppass Uri mit Graubünden, der Furkapass Uri mit dem Wallis, der Klausenpass Uri – via Urnerboden – mit Glarus und der Gotthardpass, seit jeher eine der wichtigsten Nord-Süd–Verbindungen der Alpen, verbindet Uri mit dem Tessin. Um den Unterhalt für den letzteren Pass kümmert sich das Amt für Betrieb Nationalstrassen. «Im Auftrag des Bundesamtes für Strassen (Astra) sind wir für den betrieblichen und baulichen Unterhalt der Nationalstrassen im Kanton Uri, in Teilen von Schwyz, Nidwalden und Tessin zuständig», sagt Ralf Arnold, stellvertretender Abteilungsleiter des Amts für Betrieb Nationalstrassen.
Das Amt für Tiefbau mit der Abteilung Betrieb Kantonsstrassen hingegen ist für die restlichen vier Pässe in Uri zuständig. Einzig der Klausenpass ist eine Ausnahme, dieser ist gänzlich ein Urner Pass.

Höhe, Baustellen, Skibetrieb
«Im Durchschnitt der letzten Jahre wurden immer zuerst der Susten- und Furkapass gesperrt», sagt Stefan Bucheli, Abteilungsleiter des Amts für Tiefbau der Abteilung Betrieb Kantonsstrassen. «Der Grund dafür ist vor allem die Höhe der beiden Pässe.» Der Furkapass ist nämlich der höchste Urner Pass und liegt auf 2429 m ü. M., der Sustenpass auf 2260 m ü. M. Meist wird anschlies-send der Gotthardpass (2106 m ü. M.) gesperrt. Die Schlusslichter sind der Klausenpass (1948 m ü. M.) und der Oberalp-pass (2044 m ü. M.).
Ausser auf die Höhe des Passes wird auch auf Feiertage, auf den Skibetrieb in Andermatt oder auf Baustellen geachtet. «Wenn es wetterbedingt geht, dann lassen wir den Klausenpass über Allerheiligen offen», sagt Stefan Bucheli. So kann das Ziel Glarus oder Uri über längere Zeit etwas schneller erreicht werden. Auch ein Grund für die späte Passschliessung beim Oberalp ist der Skibetrieb am Nätschen, welcher spätestens Anfang Dezember startet. «Wenn die Vorbereitungsarbeiten für den Skibetrieb losgehen, sind wir dazu verpflichtet, den Oberalppass zu sperren.» Die aktuellen Bauarbeiten auf dem Gotthardpass sind der diesjährigen Schliessung nicht in die Quere gekommen. 2001 aber, wegen des Brands im Gotthard-Strassentunnel, war der Pass bis am 21. Dezember befahrbar.
«Wenn der Aufwand zu gross wird und die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann, dann geben wir die Wintersperre bekannt.» – Stefan Bucheli

Absprache mit Meteorologen
Entscheidend nebst all diesen Punkten ist auch die Langzeitwetterprognose. Von einer Meteo-Firma erhalten die beiden Ämter in Uri Daten zur Wetterentwicklung über mehrere Wochen. Laufend beobachten sie mit Meteorologen die Niederschläge, den Schneefall und die Temperaturen. Wenn die Temperaturen im Tal beispielsweise nachmittags bei 20 Grad Celsius liegen, könne es sehr gut sein, dass es Ende September nachts auf einem Pass in die Minusgrade gehe, so Stefan Bucheli. Deshalb können auch über die Sommermonate Winterdiensteinsätze auf einem Pass nötig sein.
Aber weshalb braucht es auf einem Pass bereits schon so früh einen Winterdienst, wenn weit und breit noch kein Schnee erkennbar ist? Beim Winterdienst im Herbst fahren sie morgens mit einem Lastwagen auf den Pass, pflügen und fräsen wenn nötig den Schnee weg und salzen anschliessend. «Wenn der Aufwand dafür zu gross wird und die Sicherheit nicht mehr gewährleistet werden kann, dann geben wir die Wintersperre bekannt», sagt Stefan Bucheli. Aber welche Parteien – ausser den beiden Ämtern in Uri – dürfen eine Passschliessung mitentscheiden? Die Nachbarkantone, ausgenommen das Tessin – da die Gotthardpassstrasse Teil des Nationalstrassennetzes ist – und Glarus, da der Klausenpass ganz zu Uri gehört. Der Kanton Uri muss sich mit den Ämtern für Betrieb Kantonsstrassen Bern, Wallis und Graubünden absprechen und darf erst danach mit den Einwinterungsarbeiten beginnen und den Pass sperren. Die kantonsübergreifende Zusammenarbeit sei bewährt und eingespielt, so Stefan Bucheli.
Vor Lawinen schützen
Im Durchschnitt dauern Rückbauarbeiten zwei bis drei Wochen an. Geländerrohre werden herausgezogen, Leitplanken, Wegweiser und Pfosten werden abgenommen. Anschliessend werden diese Materialien an einer vor Lawinen und anderen Naturgewalten geschützten Stelle deponiert. Falls der Pass noch nicht definitiv gesperrt wird, werden Tafeln aufgebaut mit dem Hinweis, dass Geländer, Pfosten und Leitplanken fehlen. Mit der entsprechenden Vorsicht und einer Geschwindigkeitsanpassung kann die Sicherheit somit im Herbst noch gewährleistet werden.
Während des Rückbaus achten die beiden Ämter ständig auf die Wetterentwicklung. «Die Wintersperrung geben wir nach Möglichkeit dann bekannt, wenn die Bevölkerung beim Blick nach oben auch etwas Schnee erkennt», sagt Stefan Bucheli. «Das tun wir, weil wir die Passschliessung nicht infrage stellen wollen und sie für alle nachvollziehbar sein soll.»
Laut Stefan Bucheli könnte ein Pass nicht das ganze Jahr offen sein. Auch im Hochwinter müsste der Winterdienst fortgeführt werden. Zudem lauern im Winter unüberwindbare Gefahren am Berg. «Für diesen riesigen Aufwand und die paar Leute, die vorbeikämen, lohnt es sich kaum.» Ausserdem könne die Sicherheit der Mitarbeitenden sowie der Verkehrsteilnehmer nicht gewährleistet werden. «Und das steht bei uns ganz zuoberst.»
Monatelang in den Händen der Natur
So ist es also klar. Jeden Herbst wintern die Mitarbeitenden der beiden Ämter die fünf Urner Pässe ein, um sie danach über sechs bis sieben Monate ganz in die Hände der Natur zu geben. Anfang Mai oder Juni fängt das ganze Spiel wieder von vorne an, und die Pässe werden vom Schnee befreit und wieder befahrbar gemacht. Ein notwendiger und manchmal gefährlicher Dienst, der vom Kanton unter Ausschluss der Öffentlichkeit für die Allgemeinheit ausgeführt wird.