«Wemmer am Mami nu Bluemä bringä?»
Nach fünf Wochen war es endlich so weit. Am Montag konnte die Landi Uri AG wieder ihr Gartencenter öffnen. Was wurde am meisten gekauft? Und wie war der Andrang?
Eine Reportage.
Dieser Artikel ist am 29. April 2020 im «Urner Wochenblatt» erschienen.
7.50 Uhr, Umfahrungsstrasse 24 in Schattdorf. Ein trüber morgen, Wolkenfelder schweben am Himmel, einige Berge sind bereits von der Sonne erleuchtet, während Schattdorf gerade erst erhellt wird. Die Parkplätze vor der Landi sind fast leer, nur wenige Autos sind darauf. Vor dem Eingang, da stehen schon zehn Kunden Schlange, in der Hoffnung, dass sich in den nächsten Minuten die Türen öffnen. Einige stützen sich am Einkaufswagen auf, warten geduldig, schauen auf den Boden zu ihren Füssen, auf die Uhr und wieder zu den Schiebetüren. Immer wieder. Blickkontakt untereinander gibt es kaum. Dann endlich öffnet die Landi ihre Schiebetüren. Die vorderste Person der Schlange, ein Mann im mittleren Alter, begibt sich zum Eingang, entdeckt dort auf einem Stehtisch ein Desinfektionsmittel, drückt auf den Spender und desinfiziert seine Hände. Der Nächste macht dasselbe. Zirka 5 Minuten später sind die zehn Kunden drin, und es kommen immer mehr Menschen nach. Doch der Ansturm in Schattdorf hält sich noch in Grenzen.
Onlineshop löst Mehraufwand aus
Am 17. März musste das Gartencenter aufgrund der Corona-Pandemie geschlossen werden, das hatte der Bund verordnet. Davon war auch die Landi Uri AG betroffen, einen Teil durfte sie allerdings öffnen. «Mit grossen, schwarzen Blachen deckten wir die Regale ab, sodass man nur Lebensmittel, Getränke, Futter für Tiere und sonstige lebensnotwendige Artikel kaufen konnte», sagt Theo Kempf, Geschäftsführer der Landi Uri AG in Schattdorf. «Das Gartencenter mussten wir schliessen.» Nun, nach fünf Wochen, hat das BAG neue Verordnungen erlassen. Unter Einhaltung der vorgegebenen Sicherheitsvorschriften und der Mindestanzahl an Kunden im Laden pro Quadratmeter, das sind bei der Landi in Schattdorf maximal 150 Kunden, darf man wieder persönlich vorbeikommen. «Das erleichtert uns enorm die Arbeit, denn in den letzten fünf Wochen lief bei uns alles drunter und drüber», gesteht Theo Kempf. «Sehr viele Kunden bestellten online und holten ihre Sachen ab. Das war für uns ein Mehraufwand, denn unser Team war nicht vorbereitet, mehrere Tausend Bestellungen zu rüsten.» Die Arbeit der Detailhändler zu «normalen» Zeiten in der Landi bestehe darin, einzelne Kunden zu beraten, einige wenige Onlinebestellungen zu rüsten und zu kassieren. «Jetzt ist die chaotische Zeit vorbei», meint Theo Kempf, «nun können die Kunden vorbeikommen, ihre Ware direkt in ihren Wagen legen und bezahlen.» Diese Auftragsabwicklung erlöse sie von dem Mehraufwand, den sie die letzten Wochen hatten. Trotz Corona-Krise musste der Geschäftsführer keine Kurzarbeit anmelden, eher im Gegenteil, er brauchte sein Personal wie nie zuvor. Es gab so viel zu tun.



Rosafarbene Maske und pinke Petunien
Vor dem Eingang stehen Blumen in Rot, Gelb, Grün und Lila, Erde und Gartenutensilien. Ein hängender Gartenstuhl, 299 Franken. Eine Frau steht vor dem Eingang bei den Blumen. Vis-à-vis ihr Mann. Sie trägt eine rosafarbene Maske und hält ihrem Mann, der keine Maske trägt, pinke Petunien entgegen. «Ja, die sind schön», antwortet er auf ihre fragende Mimik. «Und diese?», fragt sie ihn. «Ja, die auch», wiederholt er gleichmütig mit einer Hand vor seinen Augen, weil die Sonne ihn blendet. Dann dreht sie sich zu einem anderen Regal, überlegt, wie sie diese Blumen findet, und wendet sich wieder den pinken Petunien zu. Zwei davon legt sie in ihren Einkaufswagen.
Niemand hamstert, alle sind sichtlich erfreut darüber, wieder Gartenutensilien in den Händen zu halten. Endlich wieder Blumen anpflanzen, den Garten pflegen. Es ist die Zeit zwischen März und Mai, da spriesst und gedeiht es in den Gartencentern. Die Lust den Garten im Frühling endlich herauszuputzen, kommt da genau richtig. Die meisten Kunden machen einen fröhlichen und zufriedenen Eindruck, nehmen sich Zeit und geniessen es, einzukaufen. Aber nicht nur. Da gibt es auch einen Mann, der macht einen gestressten Eindruck. Eine blaue Softshelljacke, hellbeige Hosen und türkise Schuhe der Marke «ON» trägt er. Mit zügigen Schritten läuft er von den Parkplätzen zu den Einkaufswägen und schnappt sich einen, desinfiziert sich beim Eingang die Hände und steuert schnurstracks zum Gartencenter. Kurz bevor er sich entscheidet, durch die Schiebetüren des Gartencenters zu laufen, hält er an, schaut nach links, stösst ruckartig seinen Einkaufswagen nach links und setzt nach kurzem Überlegen seinen Gang zum Gartencenter fort. An mehreren Regalen flitzt er vorbei, packt immer wieder Sachen in seinen Einkaufswagen. Er schlängelt sich durch die Menschen und läuft hektisch aus dem Gartencenter heraus zu den Kassen. Dort stellt er sich hinten an, greift zu seinem Einkaufszettel und kontrolliert mit gerunzelter Stirn, ob er alles eingepackt hat. Seine Blicke wandern vom Zettel zum Wagen und schlussendlich zur Kasse. Dann steckt er seinen Zettel wieder in die Hosentasche und stützt sich wartend mit den Unterarmen am Einkaufswagen auf.



Zwischenzeitlich steht Alois Tresch im Gartencenter mit seiner Enkeltochter Giulia Tresch vor einem Regal. Um Fenchel, Kohlrabi, Salat und Blumenkohl anzupflanzen, brauchen sie frische Erde. Also packen sie beide an und tragen drei 30-Liter-Säcke auf den Einkaufswagen. «Wemmer am Mami nu Bluemä bringä?», fragt der Grossvater seine Enkelin. «Ja, gern», sagt sie und entscheidet sich für zwei Blumen und legt sie sorgfältig in den Einkaufswagen. Nebenan spielt sich ein ähnliches Szenario ab. Auch Petra Causo und Marko Stojanovic brauchen Erde und gehören damit ebenfalls zu den 80 bis 85 Prozent der Kundinnen und Kunden, die an diesem Tag Gartenartikel kaufen. Marko Stojanovic nimmt fünf 30-Liter-Säcke. Anschliessend laufen sie noch entspannt durch das Gartencenter, diskutieren vor einem Regal mit Samen für den Rasen, ob sie ihn benötigen, entscheiden sich dagegen, drehen sich um und gehen gemütlich weiter, während sie immer wieder lachen.


Vor anstatt hinter die Kolonne
Ein Sechser-Set Küchenpapierrolle, drei retro-weisse, eckige Töpfe und drei holzige Topfuntersetzer mit Rollbeinen. Ein älterer Mann, er trägt ein blau-rosafarbenes kariertes Hemd, dunkelblaue Hosen mit einem hellbeigen Gürtel und schwarze Schuhe. An einer knallgelben Wasserkanne läuft er vorbei, schaut kritisch auf seinen Einkaufszettel, überlegt sich, ob er alles mitgenommen hat, und schiebt seinen Einkaufswagen zur Kasse. Anstatt hinten stellt er sich vorne in die Kolonne. Anstatt mit der Karte zahlt er bar. Sie rechnet ab, gibt ihm das Retourgeld und der Mann schiebt mühevoll seinen Einkaufswagen zum Ausgang.
5 bis 10 Prozent mehr Kunden, und somit auch mehr Umsatz, als an einem normalen Tag in der Saison seien es an diesem Montag gewesen, zieht Theo Kempf am Ende des Tages ein positives Fazit. «Wir sind sehr zufrieden, die Kunden haben sich gut an die Regeln gehalten», sagt er. Im Gartencenter sei mehr Andrang gewesen, so wurde es schnell voll. Aber im Grossen und Ganzen habe alles gut geklappt und das Aufkommen habe sich über den Tag sehr gut verteilt.
Am Ende des Tages sind die Parkplätze, wie zu Beginn des Tages, wieder leer. Fast könnte man in diesem Moment meinen, es wäre nie alles vollgeparkt gewesen.